LIVE von der Baustelle

Baustellenkran
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Sind Sie heute wach geworden vom Geräusch der Presslufthammer von der Baustelle nebenan? Oder dem großen Kran, dem Schaufelbagger, der Betonmischmaschine?

In unserem Gemeindegebiet wird gerade viel gebaut. An verschiedenen Stellen in Lochhausen und Pasing entstehen tiefe Gruben, Gerüste werden hochgezogen und Beton wird gegossen. Ganze neue Siedlungen wachsen. Teilweise wurden alte Gemäuer abgerissen.

Baustellen machen Lärm, behindern die freie Durchfahrt und produzieren Staub und Dreck. Da bleibt nur zu hoffen, dass sie bald ein Ende haben.

Auch aus unserem Wohnzimmer sehe ich seit fast einem Jahr einen riesigen Kran. Zuerst hat er mich geärgert und ich habe gedacht: „Jetzt schaue ich jedes Mal, wenn ich den Sonnenuntergang bewundere, auf dieses blöde Technik-Teil. Mein täglicher Blick wird geprägt durch etwas, das ich da nie haben wollte.“

Letzte Woche hat sich plötzlich etwas verändert. Eines Abends habe ich wieder auf den Kran geschaut, die Abendsonne hat ihn hell leuchten lassen. Vielleicht habe ich mich mittlerweile einfach an ihn gewöhnt, aber plötzlich dachte ich: „Wie leer mein Blick sein wird, wenn er nicht mehr da ist.“

Baustellen sind ein Zeichen dafür, dass gerade viel passiert. Baustelle heißt: Es geht etwas zu Ende, wird abgerissen, damit zugleich auch wieder etwas Neues entstehen kann. Es ist noch nicht fertig, da ist etwas im Entstehen. „Work in progress“ heißt es auf Englisch. Es ist etwas Neues zu erwarten. Es ist ein Prozess, lebendig, die Arbeit ist im Gang.

Wie in der Pfingstgeschichte. Da ist die Arbeit – in diesem Fall Gottes Arbeit – in vollem Gang: Als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist. (Apostelgeschichte, Kapitel 2)

Es geht zu wie auf einer Großbaustelle bei den Jüngern Jesu in Jerusalem. Alles wird durcheinander gewirbelt. Ein Lärm, ein Brausen, Staubwolken, unterschiedliche Stimmen.

Oft sieht es auch auf Baustellen chaotisch aus: Riesenkräne, hunderte von Leuten, Berge von Material, unzählige Maschinen, Abfall, Gerüste, Container, riesige Erdlöcher, halbfertige Mauern und unbeschreiblicher Lärm ist zu hören. Fahrzeuge, die anfahren und abfahren. Staubwolken bei Trockenheit, Schlammwege nach Regenfällen und Geschrei und Geschimpfe in verschiedenen Sprachen. Dem Betrachter bietet sich ein Bild von Unordnung und verworrenem Durcheinander.

Aber im Büro der Bauleitung liegen die Pläne für das Bauvorhaben auf dem Tisch. Sie sind klar und präzise, ordentlich und sauber, durchschaubar und richtig, sinnvoll und auf den Millimeter genau. Nach diesen Bauplänen wird gebaut. Und was so verwirrend und unordentlich scheint, sind im Grunde genommen planmäßige und gezielte Ausführungen.

Vielleicht ein hilfreicher Gedanke, wenn Ihnen die Baustellen in Ihrem Leben gerade zu viel und zu unübersichtlich werden: „Heiliger Geist bei der Arbeit“. Oder, wenn Ihnen Home-Office und Home-Schooling über den Kopf wachsen: „Holy Spirit in progress“. Und wenn Sie die Pläne nerven, die ständig über den Haufen geworfen werden und neu geschmiedet werden müssen: „Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist.“

Manche Tage in der Corona-Pandemie gleichen einer Großbaustelle. Aber: In all dem sind wir nicht allein, sondern Gottes Heiliger Geist ist dabei. Er weht und stürmt und bringt durcheinander und doch hat Gott einen Plan mit uns. Einen Plan vielleicht nicht mit Millimeter-Papier gezeichnet auf dem Schreibtisch im Himmel, aber einen Plan, der von Liebe durchdrungen ist.

Vielleicht täuschen das Durcheinander von Ereignissen und Erlebnissen, die verwirrenden Eindrücke und Gefühle manchmal und in Gottes Baubüro ist alles klar und ordentlich, sinnvoll und richtig. Wer weiß.

„Baustellen“ werden uns ein Leben lang begleiten. Ob wir als Kind mit großen Augen stundenlang einem Bagger zuschauen oder mit Holzklötzen oder Lego bauen. Oder, ob wir als Erwachsene immer wieder Neues in unserem Leben und auf unserer großen, einen Welt aufbauen müssen und können. „Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt sind, kannst Du etwas Schönes bauen“, hat Erich Kästner einmal gesagt. Viel Geduld und Vergnügen dabei wünsche ich Ihnen und immer wieder einen Wink vom Heiligen Geist! Frohe Pfingsten!

[Ihre Pfarrerin Sarah Fischer-Röhrl]

Komm, Heiliger Geist,
sanft wie eine Taube,
brennend wie Feuer,
kraftvoll wie der Wind.
Mach uns lebendig.
Amen