Licht in Freud und Dunkelheit

Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diesen Artikel schreibe, ist es schon deutlich sichtbar und spürbar: Der Herbst ist ins Land gezogen. Die Tage werden kürzer, die Nächte sind schon kühl, die Natur bereitet sich auf die neue Jahreszeit vor.

Im November dann die tristen, nebligen Tage, oft lässt sich die Sonne nur wenig oder gar nicht sehen. So fallen in diese Zeit auch nicht von ungefähr der Volkstrauertag oder der Ewigkeitssonntag, im Volksmund „Totensonntag“ genannt, an dem wir in besonderer Weise unserer Verstorbenen gedenken, an dem der Tod in den Blick gerät wie kaum zu einer anderen Zeit des Jahres.

Wenn die Tage dunkler werden, steigt bei uns Menschen die Sehnsucht nach Licht. Viele Menschen zünden in dieser Zeit gerne Kerzen an. Auch in unseren Straßen und Geschäften kann man unzählige Lichter sehen, und die erste Kerze brennt am Adventskranz. Die vorweihnachtliche Zeit ist angebrochen. Die Straßen und Geschäfte sind weihnachtlich geschmückt. Lebkuchen, Stollen, Weihnachtsmänner und vieles andere mehr – die Regale in den Supermärkten sind seit Monaten voll mit Weihnachtsleckereien. Obwohl ich mich innerlich darüber aufrege, erwische ich mich auch bei dem Gelüst nach Lebkuchen oder Stollen und versuche ihm zu widerstehen. Ich will nicht zu denen gehören, die schon ein Drittel der Süßigkeiten vor der Adventszeit verzehren.

Ja, ich liebe sie, die Adventszeit mit all ihrer Ambivalenz. Eine unbeschreib­liche Atmosphäre liegt in der Luft. Die einen sehnen sich nach Ruhe, Stille und Besinnlichkeit. Andere stürzen sich in die Einkaufswelt. Und wieder andere versuchen beides – Besinnlichkeit und Trubel – in der kurzen Zeit miteinander zu vereinbaren. Advent und Weihnachten ist für viele auch die Zeit der Sehnsucht nach einer friedvollen und heilen Welt. So denkt man in dieser Zeit besonders an alle Menschen, die auch im übertragenen Sinn in den Dunkelheiten dieser Welt leben.

Die Gegensatzpaare „Dunkel“ und „Licht“, „geweint“ und „freudig“, „Tag“ und „Nacht“ drücken unser Leben aus. In beides hinein erstrahlt das große Licht unseres Gottes, das er uns an Weihnachten schenkt. Es ist kein geringerer als unser Herr Jesus Christus selbst, der in unser Leben kommt. Gott selbst wird Mensch. Sein Licht leuchtet in der Dunkelheit, Gottes Liebe wird sichtbar und begreifbar. Wie ein Licht leuchtet Gottes Liebe zu uns allen.

Jeder und jede kann Anknüpfungspunkte für die licht- und heilbringende Botschaft der Geburt Jesu entdecken. Und diese Geburt verändert etwas in der Welt. Sie verbreitet Gottes Gerechtigkeit und Frieden. In Gottes Licht werden die Grenzen und Ambivalenzen der Wirklichkeit klarer, aber auch durch unser Reden, Tun und Handeln in seinem Namen überwindbar. Dass Gott in die Welt gekommen ist, dass er Mensch wurde, bleibt kein Ereignis von damals, sondern hat Gültigkeit und Bedeutung für uns heute und auch für die, die nach uns kommen. Für jeden Menschen neu, der oder die sich dafür öffnet. Denn für uns alle geht mit Weihnachten ein Licht auf in allen Freuden aber auch Dunkelheiten des Lebens.

In der adventlichen Zeit wird gerne gesungen. Da werden bei mir Kindheitserinnerungen wach. „Macht hoch die Tür“ mit allen fünf Strophen oder „Wir sagen euch an den lieben Advent“ oder „Seht die gute Zeit ist nah“ gehörten zum festen Bestandteil unserer morgendlichen Andacht in der Schulzeit. Neben anderen wunderbaren Liedern gehört heute zu meinen adventlichen Favoriten – ich habe ja auch mit kleinen und größeren Kindern viel zu tun – „Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit“. Wunderbar, wie uns hier Gottes Liebe, als Lebenslicht auf all unseren Lebenswegen als Hoffnung und Zuversicht weisend, mitgegeben wird. Lassen sie uns miteinander einstimmen in Lob und Dank für das großartige Geschenk der Geburt unseres Gottes:

Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit,
durchbricht die Nacht, und erhellt die Zeit.
Ein Licht weist den Weg, der zur Hoffnung führt erfüllt den Tag, dass es jeder spürt.
Ein Licht macht uns froh, wir sind nicht allein. An jedem Ort wird er bei uns sein.
Licht der Liebe, Lebenslicht, Gottes Geist verlässt uns nicht.

Eine gesegnete vorweihnachtliche und weihnachtliche Zeit.
[Pfarrer Heiner Glückschalt]