Aus der Kälte in die Sonne - Aus der Finsternis ins Licht

Mädchen im Licht
Bildrechte Adobe Firefly - KI generiert

Unsre Wiesen grünen wieder,
Blumen duften überall;
Laut ertönen Finkenlieder,
Lieblich schlägt die Nachtigall.
Hell wie Gold und Purpur strahlet
lichter Maienwölkchen Schaum,
und der holde Frühling mahlet
weiß und roten Apfelbaum.

Alles rundumher verkündet
unsers Schöpfers Freundlichkeit;
was da lebet und empfindet,
freut sich dieser Wonnezeit.
Welch ein neues reges Streben
herrscht im Wald und auf der Flur!
Sollt ich ihn nicht auch erheben,
ihn, den Vater der Natur?

Ja, in all der Stimmen Menge,
die dich preisen, misch auch ich, Vater,
meine Lobgesänge und frohlock und preise dich.
Deiner Huld und deiner Güte
will auch ich mich dankbar freun,
und mit kindlichem Gemüte
dir mein ganzes Leben weihn.

aus: Lese-Seite, Bertuch Verlag,
Deutschland – Lese/Lieder,
https: www.deutschland-Lese.de/Streifzüge/Lieder


Dieses heitere Frühlingslied, das erstmals mit dem Titel „Im Frühling“ erschien, stammt textmäßig von dem Schweizer Dichter Johann Gaudenz von Salis-Seewies. Die Melodie geht auf den Salzburger Musiker Wolfgang Amadeus Mozart zurück. Als ich diese Zeilen für unsere Rubrik „angedacht“ schreibe, ist nichts vom Frühling, wie er oben beschrieben ist, zu spüren. Alles ist in strenge Kälte eingetaucht, der Nebel zeichnet ein tristes Bild der Natur. Nur selten lassen einzelne Sonnenstrahlen den Frühling erahnen.

Die Sehnsucht und der Wunsch nach Frühling, einer helleren und wärmeren Jahreszeit, bewegt unsere Herzen. Wir sehnen uns nach Vogelgezwitscher, nach Spaziergängen in einer zum Leben erwachenden Natur.

Vielleicht feiern wir nicht von ungefähr die Passions- und Leidenszeit unseres Herrn Jesus Christus in dieser Jahreszeit. Nicht die vermeintlich äußere Kälte, nicht das vermeintliche Fehlen des Lichtes in der Natur, das Fehlen der Sonnenstrahlen und der damit verbundenen Wärme, machen uns da als Christen zu schaffen. Es ist vielmehr das Bedenken des Leidens und Sterbens unseres Herrn Jesus Christus, das am Karfreitag, einem für uns stillen und feierlichen Tag der Trauer, seinen Höhepunkt erreicht. Eine Zeit der Kälte, eine Zeit des Dunklen, der Trauer, eine freudlose Zeit.

Nicht zufällig liegen die Passionszeit und die Zeit von Ostern in einer Zeit der Wende. Nach dem Brachliegen der gesamten Natur, erwacht im Frühling alles zu neuem Leben.

Und seit dem ersten Tag der Wende, der Kreuzigung und dem Tod hin zur Auferweckung von Jesus Christus am Ostermorgen, hat auch unser Leben eine immerwährende Wende erfahren. Durch Jesu Tod geschieht die Erlösung aus Sünde und Tod. In der Passionszeit geht es um die Erinnerung, um die Aufmerksamkeit für das Leiden und Sterben Jesu und der damit verbundenen Aufmerksamkeit des menschlichen Leidens, das er ein für allemal auf sich genommen hat, damit wir Leben haben und nimmermehr sterben.

So heißt es treffend in dem Lied „Das Kreuz ist aufgerichtet“: Er wollte, dass die Erde zum Stern des Kreuzes werde, und der am Kreuz verblich, der sollte wiederbringen, die sonst verlorengingen, dafür gab er zum Opfer sich.

Gott gab das Leben seines Sohnes für uns hin, damit wir durch ihn Leben schlechthin, ja ewiges Leben haben. Dabei bleiben Leiden und Schmerzen Jesu nicht erspart. Aber Gott bleibt an seiner Seite. Ja, Gott zeigt sich als der, der herunterkommt, der sich selbst in das dunkelste Dunkel hineinbegibt, in Leid und Schmerz, Verlassenheit und Angst. Er kommt herunter zu uns, weil er uns nicht allein lassen will, wenn unsere Gedanken, unser Leben näher am Tod als am Leben sind. Und gerade deshalb brauchen wir dem Dunkel in unserem Leben nicht auszuweichen. Denn unser Gott ist da. Mitten im Dunkel, mitten im Tod, ist er dabei, geht mit uns. Und mitten in das Dunkel hinein, geschieht Ostern.

Gott führt uns aus der Kälte in die Wärme. Er führt uns aus der Dunkelheit ins Licht.

Ostern ist, wenn in der Osternacht die brennende Osterkerze in die dunkle Kirche getragen wird und wir dabei singen: „Christus, Licht der Welt“.

Ostern ist, wenn im Dunkel der Nacht ein Licht aufflammt, wenn wir uns treffen und das Hoffnungslicht weitertragen, wenn Gemeinschaft gestärkt und der Friede Gottes, der allein Frieden im Kleinen und Großen schaffen kann, weitergegeben wird.

Und dann wird es immer wieder Ostern neu, unabhängig von der Jahreszeit, wo wir Menschen es wagen trotz aller Feindschaft und Hass, dem Leben mehr zu trauen als dem Tod. Wo wir Menschen es wagen das großartige Geschenk der Versöhnung anzunehmen und an andere weiterzugeben. Dann ist Ostern:

Gott schenkt sich uns in Jesus Christus als das Licht des Lebens. Er führt uns heraus aus der Kälte in die Sonne, aus der Finsternis ins Licht.

So wünsche ich Ihnen eine Passionszeit mit Besinnung und Nachdenklichkeit und ein gesegnetes Osterfest, in das Sie einstimmen können mit Freude, Dankbarkeit und Lob mit den Worten des Osterjubels der ersten Christen:

„Er ist erstanden, Halleluja! Freut euch und singet, Halleluja.“

Frohe Ostern und ein friedvolles Fest!

[Ihr Pfarrer Heiner Glückschalt]