Abschied von Bartimäus

Jeder Abschied fällt schwer – so auch der vom Gemeindezentrum „Bartimäus“ und doch werden viele gute Erinnerungen an dieses Haus bleiben. Denn das Gemeinde­leben im Sprengel Lochhausen war und ist  geprägt von Menschen, die sich für andere und für ihren Gottesdienstraum eingebracht haben: Das begann mit Christen­lehre (Gottesdiensten) nach dem Ersten Weltkrieg im Haus des evangelischen Ziegeleidirektors Alexander Nikola und 1959 mit dem Umbau eines Schuppens in eine Notkirche mit Apsis und Seitenschiff. Nach dessen Abbruch 1961 suchte die nach dem Krieg gewachsene Gemeinde ein Grundstück für ein Gemeindehaus.

Endlich, am 11. Oktober 1964 wurde der Grundstein an der Giggenbacherstraße 20 gelegt und die Einweihung am 3. Oktober 1965 groß gefeiert, jeweils unter den Vikaren Ludwig Noske und Helmut Breit. Das Fest zur Namensgebung mit Pfarrerin z. A. Hanna Wirth fand am 10. Oktober 1982 statt: Das „Evangelisch-Lutherische Gemeindezentrum Bartimäus“ ist benannt nach dem Mann, den Jesus von seiner Blindheit heilte und der ihm daraufhin nachfolgte (Markusevangelium 10, 46–52), eine Orientierung, die uns heute guttut.

Das Gemeindezentrum birgt als Kunstschätze ein Altarbild von Walter Habdank „Der verlorene Sohn“, Paramente nach Entwürfen von Anne und Hans von Miller aus Pasing und im Campanile die älteste evangelische Glocke Münchens von 1830, gegossen von Nikolaus Regnault, eine Leihgabe der Matthäusgemeinde.

Im Lauf der Jahrzehnte hat sich einiges verändert, manches endete, manches blieb bis heute, manches wurde neu begonnen, im Mittelpunkt stand der Gottesdienst. Jeder Pfarrer setzte in unserer Erinnerung jeweils andere Schwerpunkte im Gemeindeleben: Theatergruppe, Osternacht, Gottes­dienst im Grünen, neue Stühle, Kreuz vor dem Gemeindezentrum. Zuerst wohnten die jungen Pfarrer z. A. in der zugehörigen Wohnung und konnten ihre Familien gründen, später wurden die Pfarrstellen in der Gemeinde der Himmelfahrtskirche gekürzt. Die Betreuung Lochhausens ist heute Teil einer halben Pfarrstelle.

In der 2001 abgeschlossenen Chronik ist nachzulesen, was es einmal gab: Gemeindefeste und -ausflüge, wöchentliche Gottesdienste, Seniorennachmittage, Konfi-, Kinder- und Jugendgruppen, ökumenischer Jugend- und Kinderchor, ökumenischer Gebetskreis, Bibelkreis, Theaterkreis. In Erinnerung bleiben die Feiern der Jubiläen von Chor und Gemeindezentrum mit gut besuchten Ausstellungen.

Der Jugendkeller, ein attraktives Angebot, wurde von aktiven Jugendlichen immer wieder umgebaut und mit neuem Leben erfüllt. Mit ehrenamtlichem Engagement wurden der Schuppen und die Rampe gebaut, die Küche renoviert und in Gartenaktionen Bäume und Sträucher beschnitten.

Über die Jahrzehnte haben sich Menschen, von christlichem Geist erfüllt, in Gruppen und Kreisen engagiert und sind bis heute Konstante einer lebendigen Gemeinde: Der Mitarbeiterkreis hat sich bewährt, das Gemeindeleben auch in Zeiten der häufigen Vakanz aufrecht zu erhalten.

Im Frauenkreis Lochhausen treffen sich seit mehr als 50 Jahren regelmäßig Menschen, um miteinander über „Gott und die Welt“ ins Gespräch zu kommen, gemeinsam kulturelle oder praktische Unternehmungen zu planen, den Weltgebetstag im März in ökumenischem Miteinander zu gestalten und sich ins Gemeindeleben einzubringen.

Der Lochhausener Singkreis trägt mit seinen Auftritten und Proben seit Jahrzehnten zur Verkündigung und einem aktiven Miteinander bei; die „Kammermusik in Bartimäus“ mit dem von Spielern geschätzten Klavier und die Lochhausener Abendmusik haben positive Außenwirkung und generieren Spenden.

Das Krippenspiel mit immer neuen Ideen und der ökumenische Kinderbibeltag aktivieren Schulkinder aus Lochhausen, ein Angebot vor Ort mit geringen Anfahrtswegen. Die Feier der Osternacht und das anschließende Frühstück stimmen auf das Osterfest ein. Eingeladen wird zu meditativem Tanz, der ökumenischen Taizé-Mediation in St. Michael, Familiengottesdiensten, Kirchenkaffee und zum ökumenischen Adventskalender für Lochhausen. Auch außenstehende Gruppen nutzen das Raumangebot.

Diese Angebote machen Bartimäus in Lochhausen bekannt und waren Teil der gelebten nachbarschaftlichen Ökumene mit St. Michael. Auch Pasinger schätzten die traditionelle Waldweihnacht – mitden anschließenden warmen Suppen – und den Gottesdienst im Grünen.

Das persönliche Engagement als Prädikant, Lektor, Kirchenvorstand, Mesner, Organist, Chorleiter, Musiker oder Gemeindebrief­austräger förderte das Gemeindeleben. Auch fast unbemerkte schöne Dinge, wie die von einem Gemeindeglied gestaltete Osterkerze oder der Altarschmuck, gehören dazu. So viele Namen wären zu nennen!

Das Gemeindezentrum hat Eingang in den KulturGeschichtsPfad des Münchner Westens gefunden. Es ist in die Jahre gekommen mit zwei Konstruktionsfehlern als Geburtsfehler, die uns große Probleme bereiteten. Mit neuer Konzeption soll das Grundstück genutzt werden. Bleibt zu wünschen, dass segensreiches Wirken weiter­besteht und neue Kräfte Aufbruch versprechen trotz demographischen Wandels und Corona bedingter Einschränkungen. Die Einwohnerzahl Lochhausens wird sich bis 2030 durch viele Neubaugebiete mit Zuzug von jungen Familien verdoppeln.

„Ich habe die verschiedenen Gottesdienst­angebote genossen, aber auch den Austausch und die Kontakte danach. Der helle Kirchenraum förderte die familiäre Atmosphäre und musikalische Aktivitäten, eine Begegnung mit Gott, Mensch und Musik.“ (D.B.). Die Jahrzehnte mit und in „Bartimäus“ haben uns persönlich geprägt und bereichert. Wir konnten uns mit unseren Stärken einbringen, weiterbilden und neue Erfahrungen z. B. in Theologie, Ökumene und Musik machen und Freundschaften schließen. Und so hoffen wir auf ein baldiges Wiedersehen im neuen Gemeinderaum.

[Ingrid Birmann und Dieter Birmann, Chorleiter a. D.]