Abendmahl mit Saft oder Wein? Abendmahl für Alle

Das Abendmahl ist fester Bestandteil unseres gottesdienstlichen Lebens. An jedem 1. Sonntag im Monat wird es in der Himmelfahrtskirche, an jedem 3. Sonntag im Gemeindezentrum Bartimäus gefeiert und zusätzlich an vielen kirchlichen Feiertagen, sowie bei manchen Kasualien, z. B. Trauungen und als Hausabendmahl bei kranken Gemeindegliedern.

Seit vielen Jahren ist in der Himmelfahrtsgemeinde das Kinderabendmahl eingeführt, d. h. dass Kinder, deren Eltern das wünschen, am Abendmahl teilnehmen dürfen. Bisher wurde das Abendmahl immer mit Brot und Wein gefeiert. Das Kinderabendmahl war ein Anlass dafür, dass sich der Kirchenvorstand Gedanken darüber gemacht hat, auch das Abendmahl mit Traubensaft einzuführen. Zudem gibt es natürlich auch andere Menschen in der Gemeinde, die aufgrund von Medikamenten, Suchtanfälligkeit oder aus Überzeugung keinen Alkohol trinken.

In den anderen Gemeinden unseres Dekanats ist es gängige Praxis, dass beim Abendmahl sowohl Wein, als auch Saft angeboten werden. Seit einiger Zeit arbeiten wir als Kirchenvorstand daran, was für unsere Gemeinde gut ist. Wir sind auf viele Detailfragen gestoßen, die gar nicht so einfach zu klären waren und sind. Wahrscheinlich spiegeln die unterschiedlichen Wahrnehmungen und was jedem von uns Kirchenvorsteher/innen wichtig ist, gut die Vielfalt wider, die es auch in der Gemeinde zu dem Thema gibt.

Denn für manche Gemeindeglieder ist es aus der Tradition heraus schwierig, sich mit der Möglichkeit von Saft anstelle von Wein anzufreunden. Auch gibt es verschiedene Formen, um im Gottesdienst sowohl Saft als auch Wein anzubieten. Man kann die Sonntage abwechseln, man kann in der ersten Runde oder in der letzten Runde Saft verteilen. Es gibt die Möglichkeit von 

Einzelkelchen oder von gemeinsamen Kelchen. Neben den theologischen Fragen, verlangen auch die seelsorgerlichen und praktischen einige Aufmerksamkeit.

Dagegen unbestritten ist die Bedeutung des Abendmahls. In Gemeinschaft in dieses Geheimnis hinein genommen zu werden fasziniert und berührt. Der auferstandene Christus will uns nahe kommen, indem wir Brot und Wein/Saft zu uns nehmen. 

 „ … Ihr seid die Reben“, so heißt es im Johannes-Evangelium (Joh. 15,5). Schon im Alten Testament wird das Volk Gottes mit dem Weinberg verglichen. Jesus Christus führt das Bild weiter aus. Er verdeutlicht das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, indem er die Beziehung zwischen sich und seinen Jüngern beschreibt.

Jesus ist die Basis. Ohne den Weinstock würden die Reben in der Luft hängen und hätten keine Verbindung zum Erdboden, der Wasser und die nötigen Nährstoffe bietet. In Jesus findet mein Hang zu Oberflächlichkeit Wurzeln, meine Sprunghaftigkeit Erdung, meine Sehnsucht nach Leben Halt und mein Durst nach ‚mehr‘ wird gestillt. Nicht nur irdisch und doch erdnah kann ich Früchte bringen in meinem Leben, und nicht nur ich. An diesem Weinstock Jesus gibt es alte Reben, junge, verdorrte, frische, reife, müde, süße, saure Reben, so unterschiedlich wie wir Menschen mit unterschiedlichen Stärken und Schwä­chen in der Gemeinde Jesu Christi sind.

Der Weinstock und seine Reben – ein wunderbares Bild für Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch und den Menschen Gottes untereinander. Diese Gemeinschaft wird seit dem Urchristentum mit diesem Bild und den Früchten des Weinstocks gefeiert im Abendmahl. Biblisch ist das Abendmahl an verschiedenen Stellen überliefert. Die Überlieferung im Markus­evangelium ist stärker liturgisch geprägt, die in den paulinischen Briefen stärker theologisch. Nur im Lukasevangelium ist der Rahmen der des jüdischen Passamahles. 

In den Einsetzungsworten (1. Kor. 11, 23–26) wird Wein nicht explizit genannt. Dennoch war vergorener Traubensaft wohl das, was zu Jesu Zeit und über die Jahrhunderte bis heute meist verwendet wurde. Daher ist in der evangelischen Kirche auch weiterhin die Regel, dass das Abendmahl mit Wein gefeiert wird. Zur Anpassung an unsere Zeit und die Bedürfnisse der Menschen, die miteinander Abendmahlsgemeinschaft halten wollen, ist die Ergänzung durch Traubensaft möglich. (vgl. „Das Abendmahl. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche“, vorgelegt vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloher Verlagshaus 2003).

Konkret bedeutet das für die Himmelfahrtsgemeinde, dass ab Oktober bei der Feier des Abendmahls alternativ zum Wein auch Traubensaft angeboten wird, zum ersten Mal am 4. Oktober zum Erntedankfest. Die Form wird in der Regel sein, dass es in der ersten Runde beim Austeilen Saft in eigenen Kelchen, in allen weiteren Runden Wein geben wird. Im Gemeindezentrum Emmaus wird weiterhin ausschließlich mit Saft gefeiert, im Gemeindezentrum Bartimäus wird Saft bei Bedarf bereitgehalten.

Der auferstandene Christus will uns nahe kommen.

[Pfarrerin Sarah Fischer-Röhrl]

 

„Wir kommen ja nicht darum herum, daß es im Abendmahl nicht um ein unklares mystisches Erlebnis, sondern um das klare, leib­gewordene Wort Gottes, um Zuspruch und Anspruch Jesus Christi geht.“

(Quelle: Dietrich Bonhoeffer, Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937–1940,
DBW Band 15, Seite 549 f)