Was sind eigentlich Kasualien?

Abschnitte und Einschnitte strukturieren unser Leben: Die Geburt eines Kindes. Der erste Kuss. Verlobung. Hochzeit. Trennungen. Abschiede und Verluste. Bis hin zum letzten Abschied, Sterben und Tod.

Manches lässt sich genau datieren: Der erste Schultag. Der 18. Geburtstag. 25 Jahre im Betrieb. Der Eintritt in den Ruhestand.

Anderes ist eher ein allmählicher Prozess: Die Kinder werden größer und erwachsen. Verändern sich. Und fliegen aus dem Nest. Früher oder später.

Nicht alles bewegt zu einem Fest. Manches Jubiläum gibt wenig Anlass zu fröhlichem Jubel. Persönliche Vorlieben spielen mit. Der eine lässt sich gerne feiern. Eine andere nimmt Reißaus, wenn ein runder Geburtstag in Sichtweite gerät.

Vier Feste haben eine starke Tradition in unserer Kirche: Taufe und Konfirmation, Hochzeit und Bestattung. Kasualien nennen wir sie. Von lateinisch “casus”, das heißt Fall. Es sind Gottesdienste in besonderen Fällen, bei Bedarf, von Fall zu Fall.

In ihnen verbinden sich höchst irdische Ereignisse mit der Sphäre des Glaubens, Christliches und Profanes: Durch die Taufe gehören wir zu Christus. Wir werden Teil an seinem Leib. Das ist das eine. Das andere ist ebenso wichtig: Die Familie kommt zusammen. Freut sich. Nicht nur Christ/innen und Christen. Freunde und Verwandte feiern mit.

Bei der Konfirmation bestätigen Jugendliche ihren Glauben. Mehr oder weniger bewusst und laut. Sie sagen “Ja” zur Kirche und zu ihrem Glauben. “Ja, mit Gottes Hilfe!” Aber nicht nur das. Schicke Klamotten gehören dazu. Krawatte und Stöckelschuhe lassen es augenfällig werden: Ich bin kein Kind mehr. Seht, was aus mir geworden ist! Geschenke sind wichtig. Anderes zählt noch mehr: Das Fest. Mit all seinen Schönheiten. Und mit seinen Spannungen. Mitten drin: Der oder die Jugendliche. Alles dreht sich um ihn, um sie.

Mancher braucht danach erst mal eine Pause. Geht eigene Wege. Und auf Distanz. Auch gegenüber “Mutter Kirche”. Zur Trauung sieht man sich dann wieder. Bei der Hochzeit gehen christlicher Glaube und weltliche Bräuche eine besonders enge Verbindung ein. Verheiratet sind die beiden schon, wenn sie auf den Altar zu schreiten. In der evangelischen Kirche ist die Ehe ein “weltlich Ding”, kein Sakrament. Das “Ja” auf dem Standesamt genügt. Trotzdem feiern viele in der Kirche. Sie wünschen sich Gottes Segen. In guten und an schweren Tagen. Das weltliche Ja-Wort wird ergänzt: “... mit Gottes Hilfe!” Wer kann schon ahnen, was uns begegnen wird auf dem gemeinsamen Weg durchs Leben? 

In manchen Jahren häufen sich in der Verwandtschaft Taufen und Hochzeiten. 10, 15 Jahre später begegnet man sich bei Firmung und Konfirmationen wieder. Und irgendwann, danach und zwischendrin, sind es vor allem Trauerfeiern, auf denen man sich trifft. Auch die, die man schon lang nicht mehr gesehen hat. Onkel und Tanten. Nichten und Neffen. Enkel und Urenkel. Viele Gäste in schwarz. Oder nur wenige.

Auch dort, an Sarg und Grab, steht ein Bibelvers im Mittelpunkt. Schenkt Trost. Gibt Halt. Bindet uns ein. In Gott. In die von ihm gestiftete Geschichte von Werden und Vergehen. Die Zeit steht still für einen Augenblick. Schafft Raum für Trauer. Für Sehnsucht. Nach dem Leben. Trotz allem. Und in allem Leid. Lässt Ausschau halten nach dem, was trägt. Nach Hoffnung.

Worte von der Auferstehung werden laut. Wir sind und bleiben in Gottes Hand. Am Sonntag vor dem 1. Advent, am Totensonntag, zu dem ich lieber Ewigkeitssonntag sage, nennen wir noch einmal die Namen derer, die im vergangenen Kirchenjahr gestorben sind. Für jeden wird eine Kerze angezündet. Wir beten für sie und ihn. Und für alle, die um sie trauern.

Zu diesen Kasualien gesellen sich andere: Die Segnung der Kinder zum Schulanfang. Silberne Hochzeit. Goldene. Die Diamantene. Auch das lässt sich feiern in der Kirche. Fragen Sie Ihre Pfarrerin oder Ihren Pfarrer.

 

[Pfarrer Hans-Martin Köbler]