Seelsorge im Alter(sheim)

Seelsorge im Altersheim unterscheidet sich grundsätzlich kaum von der Seelsorge im Alter an allen anderen Orten, an denen sie stattfindet.

Seelsorge im Alter ist in erster Linie auch nicht etwas Konzeptionelles – obwohl es hierzu natürliche viele Konzepte und Konzeptionen gibt – sondern sie hat vor allem mit Nähe zu ganz unterschiedlichen Menschen in ihrer ganz persönlichen Individualität und Persönlichkeit zu tun.

Seelsorge im Alter ist offen für alle Fragen des Lebens, für alles Gewesene für alles Aktuelle und für alles Zukünftige. Daher liegt der Seelsorge auch kein Patentrezept zugrunde, der Austausch über das, was gerade „dran ist“, steht im Vordergrund. Alles, was dem Mitmenschen gut tut in all seinen Fragen, in all seinen Zweifeln, in allem, was ihn beschäftigt, aber auch in all seiner Lebensfreude, darf zur Sprache kommen. Da geht es auch speziell um Fragen des Glaubens, um all das, worauf der Glaube eine Antwort hat. Angefangen von Schuld, die belastet, der Beziehung zu den Angehörigen oder vor allem auch die Frage nach dem Lebenssinn und einem Leben nach dem Tod.

Zutiefst existenzielle Fragen, die eine Antwort aus dem Glauben erwarten.

Sorge, Seelsorge geschieht nie im Alleingang eines Seelsorgers oder einer Seelsorgerin. Sie ist mitgetan und mitgetragen von anderen Menschen, deren Herz für die Seniorinnen und Senioren schlägt. Vieles, was der Seele guttut, bietet das Haus in eigenen Veranstaltungen. Vieles davon übernehmen auch die Pflegerinnen und Pfleger, das gesamte Personal eines Seniorenheims. Unwahrscheinlich viel wird da zwischen Tür und Angel angesprochen, aber auch im Rahmen der täglichen intensiven Pflege. Davon wird mir mit großer Dankbarkeit erzählt und das Personal wird in den höchsten Tönen gelobt. Meine höchste Achtung und mein herzlichstes Vergelts Gott gilt diesen Menschen!

In meinen Gedanken will ich einige wenige erlebte Situationen herausgreifen, die Seel­sorge, Sorge um den Menschen im Alter verdeutlichen und vielleicht sogar miterlebbar machen. Da sind an erster Stelle unsere 14-tägigen Gottesdienste, freitags um 16.00 Uhr. Sie sind eine feste Größe im Heimalltag und werden sehnsüchtig erwartet. Wer noch gut zu Fuß ist, wartet schon ab 15.00 Uhr aufgeregt im Foyer. Kann man nur noch mit dem Rollator oder dem Rollstuhl den Gottesdienst besuchen, freut man sich auf die liebevollen Helferinnen, die einen vom Zimmer abholen und zum Gottesdienst bringen. Freundlich werden die Damen, die die Besuche machen, empfangen, sie haben immer ein liebevolles Wort auf den Lippen oder gar einen Scherz. Besonders schön gekleidet kommt man in den Gottesdienst, so kennt man das noch von früher. Der Gottesdienst schließlich ist etwas ganz Besonderes: Man erfährt Stärkung für den Alltag und manche Antwort auf Fragen, die einem nachts den Schlaf rauben.

Es werden ausschließlich Lieder gesungen, die man vielleicht schon in der Grundschule oder im Konfirmandenunterricht gelernt hat. Ein Gesangbuch ist nicht nötig, beeindruckend viele kennen bis zu 12 Strophen auswendig, die sie kräftig mitsingen.

Große Dankbarkeit, oft vor Rührung mit Tränen in den Augen, bei der Verabschiedung am Ausgang. Ganz besonders viel Kraft geben wohl die Abendmahls- und vor allem die Segnungsgottesdienste. Hier spürt man bei der Handauflegung die besondere Nähe Gottes, seinen Schutz und seine Begleitung. Vielen Dank an meinen Kollegen für die tatkräftige Unterstützung.

Neben den Gottesdiensten spielen in der Seelsorge die persönlichen Gespräche eine große Rolle.

Bei Besuchen oder bei Treffen im Garten wird die ganze Lebensgeschichte erzählt, mit allen Freuden, Nöten und Sorgen, oft anhand von Bildern, die als Erinnerung die Wände des eigenen Zimmers schmücken. Die Kinder- und Jugendjahre stehen im Vordergrund, vielfach auch die Kriegs- und Nachkriegsjahre, bei jüngeren Ereignissen weist das Kurzzeitgedächtnis mehr und mehr Lücken auf. Zuhören ist angesagt, Zwischenbemerkungen sind fehl am Platz. Und dann die Bitte um ein gemeinsames Gebet. Und der große Dank nur fürs Dasein. Besondere Freude bereiten auch die Kinder, die im weihnachtlichen Gottesdienst musizieren. Da werden Kindheits­erinnerungen wach. Auch auf die Konfirmand*innen freuen sich alle, wenn sie zum Vorlesen kommen.

Die Seelsorge im Altersheim hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Durch das hohe Lebensalter bedingt, kommen die Senioren meist erst in höheren Lebensjahren ins Haus. Und die Anzahl der Demenzkranken hat stark zugenommen. Eine neue Herausforderung, die nur gemeistert werden kann, wenn Ohr und Herz offen bleiben.

[Pfarrer Heiner Glückschalt]