Martin Luthers berüchtigte Tischreden

Die Tischreden von Martin Luther umfassen ein weites Spektrum. Da geht es einerseits um theologische oder kirchliche Themen, die dargelegt und diskutiert werden. Luther ergänzt hier auch oftmals seine Schriften und Predigten. 

Zum anderen geht es um das, was am Tag oder Vortag vorgefallen ist,um das Alltägliche, Menschliche.

Die Gespräche sind gekennzeichnet durch lebhafte Diskussionen, ihre Inhalte kennen keine Tabus. Zahlreiche Gedanken werden geäußert, gebündelt und wenn möglich zu einer gültigen Aussage gebracht. Manchmal entstehen sogar Lehrsätze oder Lebensweisheiten. 

Bisweilen hält Luther auch längere Reden, die er zwar nicht als solche vorbereitet und konzipiert hat, die sich dann aber als Folge seiner spontanen Gedanken und Überlegungen ergeben.

Wie schon der Name „Tischreden“ besagt, fanden diese Reden während und nach der Essenszeit statt. Wenn sich im Hause Luthers die Familie zu Tisch setzte, gehörten alle dazu, die unter seinem Dach versammelt waren.

Dazu zählten, neben der Familie selbst, Verwandte, Freunde, Studenten und auch Reisende, die als Gäste für kurze Zeit aufgenommen wurden. Selten war die Anzahl gering. Die große Zahl an „Familienmitgliedern“ ergab sich durch die Tatsache, dass Luther nach seiner Professur und Heirat in ein ehemaliges geräumiges Kloster einzog, das einstige Ordenshaus der Augustiner in Wittenberg. Es war das Geschenk des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, in dessen großer Gunst Luther stand.

Nach der Reformation wurde das Kloster aufgelöst und zum Zuhause für seine Familie mit sechs Kindern. Zahlreiche Mitbewohner wie Studenten, junge Mädchen, Witwen, Kinder und alte Frauen zogen in die ehemaligen Klosterzellen. Manche von ihnen wohnten zu geringer Miete, die das damalige geringe Einkommen eines Professors ein wenig aufstockte. 

Sie alle kamen zu Tisch, manchmal die stattliche Anzahl von 50 Personen. Die Speisen waren üppig und stammten aus dem, was seine Frau Katharina im eigenen Garten anbaute. Luther legte großen Wert auf eine gute Küche. So soll er gesagt haben: „Alles Übel erwächst daraus, dass ein Weib nicht kochen kann.“ 

Manche Essen begannen mit einer Bibel­lektüre, Gesang oder Gebet. Die Stimmung zu Tisch war gelöst. Statt während der Mahlzeit zu schweigen, wie es Luther vom Klosterleben kannte, ermunterte die Tischgesellschaft häufig kurz nach dem Essensbeginn zu einem lebhaften Gespräch. 

Längere Monologe hielt Luther sowohl auf Deutsch als auch Latein. 

Viele der Reden und Aussagen wurden von Tischgästen mitgeschrieben, was die Redelust Luthers bestärkte. 1566 erschien die erste Ausgabe der Tischreden im Druck. Die Authentizität lässt sich kaum beweisen. So stammt mit größter Wahrscheinlichkeit das bekannte Wort „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“ nicht von Luther. Die Gäste schätzen die Tiefe seiner Gedanken, seinen Witz, seine Pointiertheit.

Hier ein paar Sätze, die mir gefallen haben:

Der kleinste Engel ist stärker als alle Teufel.

Wer nicht versucht wird, der weiß nichts.

Eines guten Predigers Kennzeichen ist, dass er dann aufhört, wenn man ihm am liebsten zuhört.

Den Knaben soll man nicht erlauben etwas zu stehlen; doch soll man Milde walten lassen, wenn es Kirschen oder Äpfel sind.

Und schließlich noch ein Schmankerl

Wenn wir täten, was wir sollten, und nicht machten, was wir wollten, dann hätten wir auch, was wir haben sollten. Nun tun wir, was wir wollen, nicht was wir sollten, darum müssen wir auch aushalten, was wir nicht wollen.

 

[Pfarrer Heiner Glückschalt]