Der Diakon, der macht das schon – aber was eigentlich genau?

Damals – Heute – Morgen

Auf diese Frage habe ich mir, seit meiner Ausbildung, eine ganze Palette an Antworten zurechtgelegt; sie reichen von biblischen Motiven über meine innerste Überzeugung bis hin zu einem augenzwinkernden Scherz. Aber lassen Sie uns von vorne beginnen, genauer gesagt in der Apostel­geschichte. Die christliche Urgemeinde kommt nach Jesu Tod zusammen, um zu beraten. Es geht hoch her, viel wird diskutiert und abgewogen. Dabei entsteht bei einigen Unmut, denn bei der täglichen Versorgung mit Lebensmitteln werden immer wieder die Witwen vergessen. Das erkennen die Jünger und stellen fest, dass nicht alles gleichzeitig geht: Das Wort Gottes verkündigen, im Gebet sein und die Menschen versorgen. Was also tun?

Sie überlegen und wählen aus ihrer Mitte sieben Personen, die einen guten Ruf haben, beauftragen sie mit dem Dienst und segnen sie für eben diesen. Damit war, biblisch belegt, der Diakon (diakonos = Diener) geboren. Untermauert wird dies mit Ausführungen aus dem 1. Timotheus und den sieben Werken der Barmherzigkeit bei Matthäus.

Historisch gesehen passiert dann erstmal eine ganze Weile lang nichts mehr. Auf evangelischer Seite in Bayern startet um 1890 in Nürnberg eine neue Initiative: Dort kommen Menschen vom Landesverein der Inneren Mission zusammen und wollen gegen die soziale Not in ihrem Umfeld vorgehen. Motiviert von Wichern und seiner Pionierarbeit im Bereich der Jugendhilfe, suchen sie nach einem geeigneten Fleck Erde, um im Sinne der sieben Werke ihren Nächsten dienen zu können. Sie machen sich auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Eine Wasserquelle ist dabei von zentraler Bedeutung. Und diese finden sie auch auf einer Wiese, gegenüber dem kleinen Ort Schwarzenbruck (1905) in Rummelsberg. So beginnen sie dort auf einem von drei Hügeln mit einigen Helfern eine Sandsteinkirche zu bauen – die Philippuskirche (1927). Den Altarraum schmückt eine große Darstellung der sieben Werke der Barmherzigkeit. Aber worin bestehen diese sieben Werke? Sie lauten: Kranke pflegen, Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Gefangene besuchen, Fremde beherbergen und Tote bestatten. Sie bezeichnen bis heute den Arbeitsbereich der Diakoninnen und Diakone in Bayern und werden fortlaufend reflektiert. In manchen Arbeitsbereichen scheinen sie deutlicher durch, beispiels­weise im Bereich der Krankenpflege, der Gefängnisseelsorge oder der Obdachlosenarbeit. In der Gemeindearbeit ist es für die Diakoninnen und Diakone eher wichtig, ein Auge darauf zu haben, in welchen Bereichen einer Kirchengemeinde die Bedürftigen zu finden sind.

Aber worin besteht die Aufgabe eines Diakons?

Aktuell bewegen sich Rummelsberger Diakoninnen und Diakone in 17 verschiedenen Arbeitsbereichen. Diese reichen von einer Vielzahl an pädagogischen und pflegerischen Berufsbildern über die Verwaltung, Beratung und Seelsorge bis hin zur Leitung von Einrichtungen und diakonischen Institutionen. Diakone treten vor allem durch ihre Arbeit in Kirchengemeinden in Erscheinung. Dabei bildet die Kinder- und Jugendarbeit sicher einen Schwerpunkt.

An dieser Stelle könnte man einwenden, dass diese Art der Arbeit doch auch ohne biblisches Leitbild, eigenes Dorf und 128-jährige Geschichte möglich wäre. Grundsätzlich stimmt das. Allerdings zeichnen sich Diakoninnen und Diakone aus Rummelsberg durch ein paar Besonderheiten aus, die mit der Geschichte und der Ausbildung zusammenhängen. So haben bereits die ersten Diakone mit den Jugendlichen, die ihnen als „nicht erziehbar“ anvertraut wurden, in einem Haus zusammengelebt und gearbeitet. Von Beginn an war das Leben in Rummelsberg und das Leben in der Ausbildung sehr stark vom Leben in Gemeinschaft geprägt, weil man neben der theologischen Dimension weitere Effekte erkannte, die sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken (heute spricht man von Peer-Education).

Folglich leben auch die Frauen und Männer in Ausbildung bis heute als Gemeinschaft in Rummelsberg und Nürnberg. Dort lernen sie ihren sozialen Beruf und seine theologischen Grundlagen. Zusätzlich gibt es eine Reihe an Diensten, die gemeinsam im Rahmen von Veranstaltungen in Rummelsberg verrichtet werden.

Am Ende der Ausbildung werden die Männer im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes eingesegnet und auf ihre Dienststelle gesendet.

Durch die Segnung sind die jungen Männer nicht nur Diakone, sondern auch Mitglieder der Rummelsberger Brüderschaft, die sich als Lebens-, Dienst- und Sendungsgemeinschaft versteht. (Bei den Frauen ist es ein bisschen anders, weil die Diakoninnengemeinschaft aus ihrem Selbstverständnis heraus keine Sendungsgemeinschaft ist – näheres dazu auf www.rummelsberger.de).

Die Dienstgemeinschaft äußert sich in der Auffassung, dass die Arbeit am Nächsten nicht mit einer Stempeluhr bemessen werden kann. So verrichten Diakoninnen und Diakone ihren Dienst an den Einsatzstellen grundsätzlich zunächst im Sinne derer, die ihnen anvertraut sind. (Wenn es natürlich auch für uns Bestimmungen zu Arbeits- und Urlaubszeiten gibt.) Der diakonische Dienst am Nächsten äußert sich in der Praxis unter anderem durch die sogenannten diakonischen Mehrarbeitsstunden. Das sind zwei Stunden pro Woche, die nicht im Schichtplan verarbeitet werden sollen. Sie sind für Seelsorge und zusätzliche Unterstützung gedacht.

Ja, und was macht ein Diakon also? Da jede Stelle ein eigenes Profil hat, so wie auch die Diakonin oder der Diakon, der dort arbeitet, hängt das stark von der Person und der Stelle ab …

 

[Roland Wuttke, Diakon]