Lutherbibel 2017 – Lust auf eine neue Bibel?

Nein, die Bibel wird natürlich nicht neu geschrieben. Der hebräische bzw. griechische Urtext wurde „nur“ neu übersetzt: Über fünf Jahre lang haben rund 70 Theologinnen und Theologen den Text intensiv geprüft und überarbeitet. Unser ehemaliger Landesbischof Dr. Johannes Friedrich war einer von ihnen.

Worum geht es und was hat sich verändert?

Unsere Sprache wandelt sich. Worte verändern ihre Bedeutung: Wen man früher als „toll“ bezeichnet hat, der war verrückt. In meiner Kindheit, war der „tolle“ Hecht eine Auszeichnung. Später nannte man solche Burschen „cool“. Und heute sagen die Jugendlichen „geil“ dazu – was in meiner Jugend eine ganz andere Bedeutung hatte.

Keine Sorge: Die neue Übersetzung biedert sich nicht an. Im Gegenteil: Die Luther­bibel ist und bleibt das „Original“ unter den deutschsprachigen Bibeln. Doch bereits Luther hat seine Übersetzungen immer wieder selbst geprüft und über­arbeitet.

Bei der Revision 2017 waren drei grund­legende Kriterien leitend: Genauigkeit gegenüber dem Urtext, Verständlichkeit für uns Menschen heute und der über die Jahrhunderte hinweg erhalten gebliebene Charme der Sprache des Reformators.

Genauigkeit

Wie lässt sich ein Wort von einer Sprache in die andere übersetzen? Da schwitzen schon Schüler im Englisch-Unterricht. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse führen zu Fortschritten. Nicht zuletzt die Quellen von Qumran, Schriftrollen, die zwischen 1947 und 1956 in elf Felshöhlen am Toten Meer gefunden und in akribischer Kleinarbeit von Fachleuten gesichtet und ausgewertet wurden.

Ein Beispiel: In der biblischen Geschichte von der Stillung des Sturms (Matthäus 8,24) heißt es in der Übersetzung von 1984: „Und siehe, da erhob sich ein gewaltiger Sturm …“. Das griechische Wort „seismós“ meint aber eher eine Erschütterung als ein Wetterphänomen. In der neuen Übersetzung ist an dieser Stelle deshalb präziser und gleichzeitig drastischer von einem „großen Beben“ die Rede. Luther sprach noch von einem „Ungestüm“. Das verstehen heute nur noch wenige.

Verständlichkeit

 „Wehmutter“ – schon mal gehört? So hieß es bisher. Der Begriff beschreibt nicht das „weh“ und „ach“ einer vom Stress geplagten Familienfrau. Das Wort meint die Wehen, die eine Frau bei der Geburt erlebt. Heute sagen wir Hebamme dazu. So steht es dann auch in Luther 2017.

Wobei die Verständlichkeit im Gegensatz zu früheren Übersetzungen nicht überstrapaziert wird. In den 70er Jahren schoss manch aktuelle Formulierung übers Ziel hinaus: „Sein Licht unter den Scheffel stellen“ ist eine bekannte Redewendung. Doch weil der Begriff „Scheffel“ kaum mehr verwendet wird, ersetzte man ihn 1975 durch den banalen „Eimer“ – was der damaligen Revision unter Insidern den Titel „Eimer­testament“ einbrachte.

Luthersprache

Luther schaute den Menschen seiner Zeit nicht nur „aufs Maul“. Er formte und prägte die deutsche Sprache entscheidend mit. Die Begriffe Lückenbüßer, friedfertig, wetterwendisch, Machtwort, Feuereifer, Langmut, Lästermaul, Morgenland stammen allesamt von ihm.

Mitunter war seine Sprache grob. „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“ soll er einmal gesagt haben. In der Bibel hat er auf solche Formulierungen weitgehend verzichtet. Gottes Wort hat er in gehobenem Stil präsentiert. Die Weihnachtsgeschichte beginnt nicht mit einem „Es war einmal …“ sondern sehr viel poetischer und dichter mit den Worten „Es begab sich aber zu der Zeit …“. Das bleibt.

Nach den Versuchen im 20. Jahrhundert, die Bibel zu modernisieren, greift die neue Lutherbibel vermehrt auf Luthers prägnante Bilder und den eingängigen Rhythmus seiner Sprache zurück: Statt „Schlangenbrut“ ist nun lautmalerisch von „Ottern­gezücht“ die Rede.

Und wo es bisher hieß, „wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet“, lautet es jetzt: „Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig.“ Zentrale theologische Begriffe 

wie „selig“ und „Heiland“ kommen so zu neuem Glanz.

Es wächst zusammen, was zusammen gehört

Der neue Bibeltext und bekannte Texte aus den Kantaten von Johann Sebastian Bach und anderen kirchenmusikalischen Werken bewegen sich aufeinander zu. Manchmal waren die Mitglieder der Projektgruppe überrascht, wie moderne Erkenntnisse der Wissenschaft mit der alten Sprache zusammenpassen.

Maßstab war die von Luther selbst erstellte Fassung von 1545. Sie gibt nicht nur seine Sprache authentisch wieder, sondern ist erstaunlicherweise oft sogar philologisch exakter als nachfolgende Bearbeitungen. Der Griff zurück wurde so zu einem Schub nach vorn.

Über 40 Prozent neu

Von den rund 31 000 Versen des Alten und Neuen Testaments haben rund 12 000 Verse eine Änderung erfahren. Bei den Apokryphen, den biblischen „Geheim“-Schriften, die nach Luther „nicht der Heiligen Schrift gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen“ wären, sind es sogar über 80 Prozent.

Ein Drittel der Änderungen sind Korrekturen früherer Revisionen. Im Durchschnitt wurden rund zehn Prozent der Wörter abgeändert, das meiste in den Apokryphen. Beim Neuen und Alten Testament sind es immerhin noch fünf Prozent.

 

Lust aufs Lesen?

Die Lutherbibel 2017 erscheint rechtzeitig zum Start des Reformationsjubiläums. Am 30. Oktober wird sie in einem festlichen Gottesdienst in Eisenach offiziell in das kirchliche Leben eingeführt. Die Feier wird vom ZDF übertragen und soll zu einem der Höhepunkte des Reformationsjubiläums werden.

Vielleicht haben Sie „Ihre“ neue Bibel dann schon vor sich: Ab 19. Oktober liegt sie im Buchhandel zum Kauf bereit.

[Pfarrer Hans-Martin Köbler]